Adventscafé 2017

Ein besinnlicher Nachmittag so mitten im Vorweihnachtsstress - einfach mal einen Kaffee genießen und in Ruhe leckere Plätzchen naschen - den Blechbläsern, einem Kinderchor und Vortragsstücken lauschen - ein köstliches Stück Kuchen und vielleicht ein zweites Tässchen Kaffee passt auch noch rein.

All das bot auch in diesem Jahr wieder unser Adventscafé am 08.12.17. Viele fleißige Hände sorgten für Kaffeehausatmosphäre in den Klassenräumen. Dazu hatten Schüler im Kunst- und WTH-Unterricht Tischdekoration gestaltet und Serviettenhalter gefertigt. Das Angebot am Kuchenbuffet war reichhaltig, unser Neigungskochkurs hatte allerlei Plätzchenspezialitäten gebacken und sorgte, unterstützt durch emsige Schüler der jüngeren Klassen, für zuvorkommenden Service an den sehr gut besuchten Tischen. Auch das Bastelangebot für unsere kleinen Gäste wurde gut angenommen. Einige interessierte Eltern wurden durch das Schulhaus geführt und viele ehemalige Schüler nutzten - im Sinne des "Coming home for Christmas" - das Adventscafé als willkommene Gelegenheit für ein inoffizielles Klassentreffen.

Ausgelassene Atmosphäre, Kaffee und Kuchen, Adventsstimmung - so haben wir uns das vorgestellt und freuen uns, so ein Licht in der dunklen Winterzeit setzen zu können. Aber gibt es da nicht noch mehr? Dieser Frage geht unser Religionslehrer Herr Richter auf den Grund und wir freuen uns, dass er seine Andacht mit uns teilt.

Gibt es da nicht noch mehr?

Es ist jedes Jahr das Gleiche! Kaum beginnen die letzten Novemberwochen, schon ist alles und jeder auf Weihnachten ausgerichtet. Man checkt nochmal alles ab für die Adventszeit. Ist die Wohnung genügend geschmückt? Wie macht man es dieses Jahr mit dem Weihnachtsbaum? Welche Verwandten besucht man zu welcher Zeit an den Weihnachtsfeiertagen? Oder kommen alle zu uns? Habe ich rechtzeitig in der Gaststätte angerufen, um den Tisch für Weihnachten und Silvester zu reservieren? Wann sind die ganzen Weihnachtsfeiern: von der Arbeit, von den Vereinen und von den Kindern in der Schule? Brauche ich noch Wichtel- oder Schrottwichtelgeschenke? Sind die ersten Weihnachtsplätzchen fertig? Stehen die Adventskalender bereit? Hoffentlich vergesse ich nicht wieder den Nikolaustag! Natürlich kann man das alles auch nach dem 1. Advent machen, aber dann startet Weihnachten gleich falsch. Außerdem ist man immer so erleichtert, wenn man alles geschafft hat. So beginnt das Weihnachtsfest gleich mit einer Menge an Aufgaben. Aber gibt es da nicht noch mehr?

Bei den Supermärkten ist das ein bisschen anders. Die stehen nämlich schon seit Ende September in den Startlöchern! Doch spätestens zum "Black Friday" sorgt die Werbung im Fernsehen und Internet dafür, das uns pünktlich vor Weihnachten der Kaufrausch packt und wir füttern unser Belohnungszentrum im Gehirn mit den besten Schnäppcheneinkäufen. Im Dezember geht es dann so richtig los. Die Kaufhäuser werben mit dem „Verkaufsoffenen Sonntag“, die Weihnachtsmärkte öffnen ihre Pforten und an den Glühweinständen herrscht Hochbetrieb. Auf einmal kostet eine Bratwurst wieder 4 Euro.
In dieser Zeit fällt der Startschuss für die besonders Tüchtigen, die sich dann direkt auf die Suche nach den Weihnachtsgeschenken begeben. Anschließend teilen sie allen ganz stolz mit, dass sie schon alle Geschenke besorgt haben und dass das Weihnachtsfest jetzt ruhig kommen kann. Andere öffnen Tag für Tag ihren Adventskalender und stellen irgendwann fest, dass Weihnachten immer näher rückt und damit die Zeit um Geschenke zu kaufen immer geringer wird.
Auf Amazon lese ich sogar noch am 20. Dezember, dass wenn ich in der nächsten halben Stunde noch bestelle, mein Geschenk garantiert vor Weihnachten da sein wird. Stress pur für meinen Kopf und für die Paketzusteller! Dann doch lieber nur etwas basteln oder einen Gutschein holen. Aber gibt es da nicht noch mehr?

Das Wetter ist auch sehr entscheidend für Weihnachten. Alle schreien nach „weißer Weihnacht“ während gleichzeitig jeder jammert, wie kalt es draußen geworden ist und dass das Autofahren bei diesem Wetter zur reinsten Zumutung wird. Mit Spannung verfolgt man den Wetterbericht, wo jeden Tag eine andere Prognose gestellt wird, auf die alles entscheidende Frage: „Haben wir Schnee zu Weihnachten oder nicht?“ Und wenn es keine weiße Weihnacht gibt, so wie letztes Jahr, dann fehlt etwas. Dann ist Weihnachten irgendwie nicht Weihnachten. Und dann beschweren wir uns am Heilig Abend und erzählen bei Kartoffelsalat und Glühwein von besseren Zeiten, als uns der Klimawandel noch nicht das Weihnachtsfest vermiest hat. Aber gibt es da nicht noch mehr?

Das Fernsehen und das Radio machen auch eine 180°-Wende. Wie jedes Jahr werden die alten Filme und Lieder wieder ausgebuddelt. Diese ganzen alten Schinken, die man schon auswendig mitsprechen oder mitsingen kann. So passiert es, dass der ein oder andere in der Weihnachtszeit fünfmal "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" anschaut, ganz so als ob der Film gerade erst erschienen ist. Andere verlassen angewidert den Raum, wenn sie nur die Titelmelodie hören. Ähnlich verhält es sich übrigens bei dem Lied "Last Christmas". Auch da gibt es die Radio-Laut-Auf-Dreher und die Radiosender-Wechsler. Ich selbst gehöre zu den Weihnachtslieder-Dauerschleifen-Hörern. Für vier wundervolle Wochen vergesse ich, dass es noch andere Musik gibt und höre mir alles Weihnachtliche an, was zwischen dem Weihnachtsoratorium und "Jingle Bells" zu finden ist. Übrigens zum Leidwesen meiner Familie. Naja. Dafür bekommt meine Frau nach der Weihnachtszeit eine Vorstellung von "Erlösung" und "Gnade". Auch nicht schlecht. Doch nicht nur alte Kamellen, sondern auch Neues erwartet uns zu jedem Weihnachtsfest. Im Fernsehen sehen wir die neuste Coca Cola-Werbung mit dem Weihnachtsmann und den Weihnachtstrucks. Im Radio trällert Mariah Carey ihren neusten Weihnachtshit. Manchmal besinnliche Klänge, dann wieder peppiger, mit dem vertrauten Klang der Handglöckchen im Hintergrund. Beim TV-Programm an Heilig Abend warten dann die traditionellen Weihnachtsklassiker: "Kevin allein Zuhaus", "Der Herr der Ringe" und "Stirb langsam". Ja, bei den lockeren Sprüchen von Bruce Willis oder einer epischen Schlacht zwischen Orks und Menschen, kommt so richtig Weihnachtsstimmung auf. Die Liste an Liedern und Filmen lässt sich beliebig fortsetzen. Aber gibt es da nicht noch mehr?



Am 24. Dezember geht es dann in die Kirche. Beim Kaffeetrinken diskutiert noch die ganze Familie, wer alles mitkommen will. Früher sind alle gegangen. Aber das Thema der Predigt ist seltsamer Weise jedes Jahr das Gleiche. Und auch wenn sich die Konfirmanden wirklich Mühe geben Abwechslung ins Programm zu bringen, ist doch der Kerninhalt des Krippenspiels meist identisch zum Vorjahr. Man hat also nicht wirklich das Gefühl, dass man etwas verpassen würde. Stattdessen könnte man zu Hause bleiben und entweder schon mal den Tisch decken und die Wiener kochen oder sich gemütlich vor den Fernseher setzen und die Simpsons anschauen. Außerdem würde man dann um die lästige Tatsache herumkommen, vor der Kirche anstehen zu müssen. Unerhört! Da geht man einmal im Jahr in die Kirche und da wollen gleich alle hin. Letztendlich geht dann doch die ganze Familie, weil es ja irgendwie zur Tradition gehört. Der Pfarrer freut sich über so viele Gesichter, die er das letzte Mal zu Ostern gesehen hat. Gleichzeitig begräbt er seine heimliche Hoffnung, dass im neuen Jahr jeden Sonntag so viele Menschen in den Gottesdienst kommen. Aber gibt es da nicht noch mehr?

Mir sind viele dieser Sachen wichtig. Weihnachten ohne Traditionen? Ohne meine Lieder? Ohne Schnee? Ohne Weihnachtsmarkt? Ohne Geschenke? Ohne Familie? Ohne die Filme? Ohne den Glühwein? Ohne glänzende Stuben? Ohne Adventskalender? ... Das wäre wirklich nicht das Weihnachten wie ich es mir wünsche. Aber es wären trotzdem keine trostlosen Weihnachten. Denn der Trost, höchst persönlich, kommt zu Weihnachten in die Welt. Und nicht nur in die Welt, sondern direkt zu den Menschen, genau dorthin wo er gebraucht wird. "Jesus ist geboren". Dieser Satz wird Weihnachten zur Floskel schlecht hin. Dabei haben Theologen mit Sicherheit herausgefunden, dass Jesus nicht im Dezember geboren wurde, sondern der 25.12. nur eine symbolische Bedeutung hat. Und doch ist gerade dieser Satz "Jesus ist geboren" das Entscheidende. Gerade das ist es, was Weihnachten zu Weihnachten macht. Gerade das ist es, was zum Glück jedes Jahr das gleiche ist.

Wusstet ihr, dass die Adventszeit, wie die Passionszeit vor Ostern, eine Fastenzeit ist? Unvorstellbar, aber die Adventszeit, was "Ankunft" bedeutet, soll ruhig machen und auf die Ankunft einer Botschaft vorbereiten. Und so drängt sich durch den ständig gleichen Trubel der Weihnachtszeit jedes Jahr die gleiche Botschaft.

Wir feiern nicht den tatsächlichen Geburtstag von Jesus, sondern die Erinnerung. Es ist die Erinnerung an das größte Geschenk Gottes. Die Erinnerung, dass wir gerettet sind. Die Erinnerung, dass wir in jeder Situation unseres Lebens Hoffnung haben dürfen. Die Erinnerung, dass es etwas gibt, das all unsere Sorgen und Ängste in den Schatten stellt. Eine Macht, die mir in meiner Ohnmacht hilft. Wer weiß, was das nächste Jahr mit sich bringen wird? Vielleicht Grund zur Freude, vielleicht auch Leid? Vielleicht sind wir nächstes Jahr zu Weihnachten eine Person mehr um den Weihnachtsbaum? Vielleicht sind wir nächstes Jahr zu Weihnachten eine Person weniger? Ich kann es nicht beeinflussen? Was gibt mir also halt im Leben?

Die Antwort: Die immer gleiche Botschaft Gottes zu Weihnachten. Sie erinnert mich jedes Jahr wieder und wieder daran, dass ich nicht verloren oder allein bin. Daran glaube ich ganz fest, auch wenn ich es mir nicht vorstellen kann. Wenn diese Gewissheit, dieses Versprechen, dieses besondere Weihnachtsgeschenk keine Weihnachtsstimmung hervorruft, dann weiß ich nicht, was es sonst könnte. Darum bin ich sehr froh, dass Weihnachten jedes Jahr das Gleiche ist.

Paul Richter