Die zweite Maus bekommt den Käse
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Vorstände und Mitglieder des Evangelischen Schulvereins,
liebe Kollegen,
liebe Eltern, Familien und Freunde,
vor allem aber liebe Absolventen unserer Schule,
vor ziemlich genau einem Jahr an anderer Stelle aber in ähnlich festlichem Rahmen, konnte ich dies zum ersten Mal sagen - Absolventen unserer Schule - nun hat sich auch der Jahrgang 2011 bis zum Abschluss durchgekämpft und ich freue mich, diese Rede kurz halten oder besser kurzhalten zu können.
Schließlich seid ihr ja „nur“ die Zweiten … wer erinnert sich schon an die Silbermedaillenträger.
Nein, keine Sorge, so böse ist hier bestimmt keiner und eine schulische Ausbildung ist auch kein Wettrennen.
Ihr steht heute im Mittelpunkt und natürlich möchte ich mir dafür ausreichend Zeit nehmen - ich hoffe also, Sie haben einen guten Sitzplatz und ausreichend Getränke, es folgt ein 90minütiger Vortrag.
Ganz ehrlich, besonders leicht ist mir das schreiben dieser Worte nicht gefallen.
Einfach mal drauf los, ohne Rücksicht auf Verluste - das geht natürlich nicht. Die Zeit wird knapp, Planung am Abend zuvor, wird schon irgendwie werden. Durchführung dann einfach mal spontan, das hält den Adrenalinspiegel hoch und kann sicher auch ganz amüsant sein. Dem einen oder anderen dürfte dieses Arbeitsverhalten bekannt vorkommen.
Nein, das ist nicht mit meinem Berufsethos vereinbar - das ganze gehört ordentlich geplant, ausformuliert und geprobt, sonst - könnte das ja jeder.
Einzig die Inspiration fehlte … zwei … gut … zweiter Jahrgang … ein guter Jahrgang … wie beim Wein … Weinstock … na klar, letztlich kommen wir doch immer wieder beim Buch der Bücher an, den wahren Weinstock in der Bibel finden wir, aber das wissen sie schließlich alle, im Johannesevangelium im 15. Kapitel.
Da geht es eben um’s wachsen und gedeihen und, nicht nur so ganz nebenbei, auch um den Weingärtner, den Vater.
Fangen wir also mal an dieser Stelle an. Ihr hattet als Schüler ja auch so einige Gärtner. Das haben wir heute im Festgottesdienst nochmals vor Augen geführt bekommen. Ein jeder eurer Klassenlehrer hat sich voll und ganz und vor allem auf seine bzw. ihre ganz eigene Weise für euch eingesetzt. Ihr wurdet in euer neues Beet eingebracht - der „Weinberg“ war ja gerade mal ein Jahr alt, so richtig sicher war sich da vermutlich noch niemand, dass da genau die richtigen Umweltfaktoren für eine gute Entwicklung herrschen würden.
Anfangs müssen neue Pflänzlein ja mit besonders viel Liebe behandelt werden. Genauso gehört aber eben auch ein strenger Blick und klare Grenzen dazu, damit die Pflanze nicht krumm und schief nach oben sprießt.
Auch die richtige Auslese gehört dazu, sicher sind Abschiede aus der Klassengemeinschaft - egal wann im Laufe der Jahre diese notwendig waren - immer traurig und manchmal sogar schmerzhaft, aber auch davon lesen wir an oben genannter Stelle:
„Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, nimmt er weg; und eine jede, die Frucht bringt, reinigt er, dass sie mehr Frucht bringe.“
Mehr Frucht bringen … reichhaltig, wir sprechen hier nicht von simplem Mutlivitamin … nein, es geht um viel mehr.
Jeder von euch hat auf seinem Weg an der Evangelischen Oberschule Hochkirch viel mitbekommen.
Viel Wissen - anders wären die wirklich guten Ergebnisse eurer Prüfungen nicht zu erklären.
Viel Können - jeder von euch setzt sich mit seinen ganz individuellen Fähigkeiten für die Klasse, für die Schule und damit für die ganze Gemeinschaft ein. Wie still wären unsere Schulgottesdienste ohne die wertvolle Arbeit in der Schulband? Wie langweilig wäre so manche Unterrichtsstunde ohne den einen oder anderen Scherz an der richtigen Stelle oder eine lebhafte Diskussion - zumindest meist an der richtigen Stelle?
Ihr bringt euch ein und konntet die Schulgemeinschaft bereichern. Dabei ist eben auch der zweite Jahrgang in der Position, von Erfahrungen profitieren zu können. Die Gründung und nun Wiedereinführung des Schülerrats liegt auf euren Schultern und wird sicher, nicht zuletzt aufgrund eurer Vorarbeit, in den nächsten Jahren erfolgreich fortgeführt.
Der Kippler - unsere, aktuell leider im Dornröschenschlaf schlummernde, Schülerzeitung - hat mit euerm letzten Neigungskurs ihren Anfang genommen und wird hoffentlich bald wieder fortgesetzt.
Viel Wissen, viel Können … viel Glauben - ja, auch wenn ich hier und da ein paar rollende Augen vermute (die sind ja unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen ohnehin recht weit verbreitet) und auch die „Mit-Sing“-Quote nicht wesentlich höher als in anderen großen Klassen ist, ist dies dennoch zutreffend.
Gerne erinnere ich mich an von euch ausgestaltete Gottesdienste - selbst wenn es dabei um Religionsnoten ging, habt ihr dabei sicher einiges gelernt. Auch damit habt ihr den Grundstein gelegt, keine andere Klasse hat sich dabei so häufig engagiert wie ihr - was nicht ist oder war, das kann ja sicher noch werden.
Jesus spricht im Johannesevangelium weiter: „Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht an mir bleibt.“
Wenn auch eure Zeit an der Evangelischen Oberschule Hochkirch vorüber ist, so bleibt ihr doch Teil des Weinstocks. Ihr könnt weiter Frucht bringen, mit den gottgegebnen Fähigkeiten und Gaben aber eben auch mit all dem, was ihr an unserer Schule erfahren habt und lernen durftet. Viel Wissen, fachliches und zwischenmenschliches - viel Können, praktisches und theoretisches - viel Glauben, Herzlichkeit, Freundschaft, Gemeinschaft und Respekt.
Ihr habt starke Wurzeln, natürlich in euern Eltern und Familien, selbstverständlich auch in euren Freunden aber eben auch in eurer Schule und euern Lehrer. Nutzt sie fruchtbringend. Das ihr dazu in der Lage seid, habt ihr bereits so manches Mal bewiesen.
Wie die Reben frisches Wasser brauchen, um weiter aus dem Weinstock Frucht zu bringen, ist auch euer Weg und Wachstum sicher noch lange nicht zu Ende. Nutzt euer großes Potential und den immer wehrenden Rückhalt eurer Familien und Gemeinden. Vertraut auf eure Fähigkeiten. Ich wünsche euch dabei den Mut die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit zu treffen. Ich wünsche euch das nötige Vertrauen in eure vielen Stärken. Nicht zuletzt wünsche ich euch die Nähe zu Jesus Christus, unserem Herrn, die euch zu starken und wertvollen Mitgliedern unserer Gesellschaft macht.
Ach ja, dann war da ja auch noch die Sache mit der Nummer zwei. Die Gärtner unter uns wissen natürlich schon längst Bescheid. Wird eine junger Spross zur rechten Zeit beschnitten, treibt das Pflänzlein im nächsten, also im zweiten, Jahr um so stärker an jener Stelle aus. Ihr, liebe Absolventen, seid dieser starke zweite Trieb. Lasst euch die heute schon reifen Früchte schmecken und bringt in den nächsten Jahren um so mehr.
Danke.
Toni Kretzschmar
- Schulleiter -